Tag 4 - Sonntag, 10.04.2022

Nein, ich habe noch nicht daran gerochen …

Aber morgen, versprochen!

 

Hier aber der versprochene Bericht über das „Spießen“, „Schließen“ und „der sitzende Setzer“:

Spießen passiert, wenn der Satz „technisch“ ausgeschlossen ist. Das heißt, die Zeilen sind alle gleich lang – ausgeschlossen, aber mitunter fehlt an mancher Stelle ein Zehntel oder Hundertstel Millimeter. Dadurch wandern eventuell Spatien beim Drucken nach oben und werden mitgedruckt.

Schließen wird der Vorgang genannt, bei dem das Druckbild, z.B. in der Andruckpresse, so eingespannt wird, dass sich die einzelnen Elemente/Buchstaben nicht mehr bewegen können. Dafür werden sogenannte Schließzeuge an zwei Seiten verwendet. Erstmal wird das Schließzeug festgedreht und dann wieder ein wenig gelöst. So „schiebt“ sich erstmal alles an die richtige Stelle; das Lösen ist jedoch notwendig, damit beim folgenden Klopfen mit dem Klopfholz die Buchstaben, die eventuell noch höher stehen als andere nun auch auf der Grundfläche stehen.

Der sitzende Setzer“ wird liebevoll der an den Setzschrank montierte Hocker genannt. Er ist schwenkbar, damit der Setzer nicht unbedingt aufstehen muss, um an Ausschlußmaterial zu gelangen.

Heute morgen muss ich erstmal die Korrekturen ausführen, die ich gestern noch angezeichnet habe. Den 8-Punkt-Text in der Optima hatte ich in Klammern gesetzt. Ich habe mich entschieden, diese Kammern zu entfernen und bei der kleinen Schrift war das etwas kniffelig. Ganz korrekt müssen Korrekturen im Winkelhaken ausgeführt werden, wir haben das aber direkt im Fundament vorgenommen.

Bei einem Textabschnitt in der Amati sollten Gedankenstriche gesetzt werden, da diese aber in der Schrift nicht vorhanden sind und mir der Satz mit den kurzen Bindestrichen nicht gefällt, habe ich sie mit Pfeilen aus der Futura ersetzt. Der senkrechte Text ist zu nah an der Kolumne links davon. Um die beiden Texte näher aneinander zu bringen, verändere ich die Position innerhalb der Zeile.

Nach den Textkorrekturen bringen wir alles auf Stand. Da muss wieder viel gerechnet werden; hier Material hinein, an anderer Stelle wieder hinaus. Es ist wie puzzeln oder Tetris.

Jetzt die Farbe auf die Walze und los geht’s. Annette benutzt übrigens alte Messer, um die Farbe aus der Dose zu holen. Erstens, weil sie so viele alte Messer besitzt und zweitens kann sie auf diese Weise weniger Farbe entnehmen. Spart Spachtel und Farbe!

Nach fünf Probedrucken sitzt alles an der richtigen Position und wir können die Auflage drucken. Annette falzt und schneidet einen Andruck und wir halten ein schönes Musterexemplar in der Hand. 

Ich bin zufrieden.

Auf die Rückseite wird morgen das Kolophon gedruckt. Ein Kolophon enthält Angaben zum Inhalt, dem Verfasser/der Verfasserin, dem Gestalter/der Gestalterin, zu Ort, Zeit, Hersteller und Produktionsdetails der Veröffentlichung. Bei nummerierten Auflagen wird hier auch die Nummer des jeweiligen Exemplars handschriftlich eingetragen.

Ich schreibe mir den Text dafür auf und beginne schon mal mit dem Satz. Dabei lerne ich noch, dass alte Winkelhaken mitunter nicht mehr „winklig“ sind. Wenn ich also mehrere Zeilen dort hinein setze, kann es passieren, dass diese nach oben breiter werden.

Morgen mehr.