Tag 3 - Mittwoch, 27.07.2022

Leider bin ich gestern nicht mehr dazu gekommen, meinen Bericht zu schreiben und habe euch um eure Morgenlektüre gebracht. Dafür aber jetzt in aller Ausführlichkeit.

Gestern war wieder ein sehr geschäftiger Tag im Museum: ich muss zugeben, ich hätte nicht gedacht, dass sich so viele Menschen für die alten Drucktechniken interessieren. Mich freut das natürlich sehr und es ist eine Bestätigung für die Macher des Museums, dass sie gute Arbeit machen!

Am Vormittag hatte sich eine Gruppe zu einer Führung angemeldet und ich beschäftige mich in der Zeit mit dem ersten Drucken meiner Karte.

Um den Linolschnitt in der Andruckpresse drucken zu können, muss ich ihn auf einer Unterlage – einem Brett befestigen. Dafür gibt es extra Montageklebefolie, die das Linol rutschfrei auf dem Brett hält.

Brett und Linolschnitt müssen zusammen eine Höhe von 23,56 mm aufweisen – das ist die genormte Höhe deutscher Bleilettern. Für die Messung und Justierung dieser Höhe gibt es extra einen Höhenmesser. Die Anzeige steht bei dem angestrebten Maß auf Null. Ist der gemessene Gegenstand zu hoch, werden Pluswerte angezeigt und entsprechend negative Werte, wenn es noch an Höhe fehlt.

Ich lege Karton und Papier unter das Brett und komme auf 0.

Ich mache erste Druckversuche, um mich für eine Farbe zu entscheiden, aber auch um den richtigen Druck einzustellen. Viel Druck erzeugt ein kräftiges Druckbild, wenig Druck ein schwaches. Der Druck wird durch den Abstand zwischen Druckbild und Druckzylinder reguliert. An der Andruckpresse der Spielkartenfabrik kann dieser Abstand und damit der Druck eingestellt werden. Hier gilt: je größer der eingestellte Wert, desto schwächer der Druck (weil ja der Abstand Zylinder-Druckbild größer ist) und andersherum.

Mir fällt es gar nicht so leicht, die richtige Einstellung für mein Motiv zu finden. Ist der Druck kräftig, sehe ich die Struktur ganz deutlich, es werden aber auch Flächen des Linols gedruckt, die eigentlich nicht zum Motiv gehören. Drucke ich mit wenig Druck, wird die Struktur nicht gut abgebildet.

Die gleichen Druckversuche mache ich später auch mit meinem handgeschnittenen Linolschnitt. Auch hier werden bei zu viel Druck, Stellen des Materials gedruckt, die nicht erscheinen sollen. Weil ich aber die Silhouette kräftig abbilden möchte, muss ich die zu hoch stehenden Bereiche wegschneiden.

Von der Andruckpresse aus habe ich eine neue Perspektive auf die Linotype-Setzmaschine und entdecke die Illustrationen, die auf die Matrizen-Kassette projiziert werden. Was für eine coole Idee! 

Am Mittag kommt Fred in die Werkstatt. Er will heute Spielkarten nachdrucken (bei der Nachfrage!) und richtet den Heidelberger Cylinder ein.

Es gibt Druckmaschinen mit verschiedenen Druckprinzipien: 

Flach gegen Flach
das ist bei einem Tiegel der Fall (Boston-Tiegel, Heidelberger Drucktiegel)
Das Druckbild wird gegen das flache Druckmedium gepresst.

Rund gegen Flach
Das Druckmedium wird auf einem Zylinder über das Druckbild gerollt. Dabei wird an einer kleinen Stelle wesentlich mehr Druck erzeugt, als auf einer Fläche. Eine Andruckpresse arbeitet nach diesem Prinzip.

Der  Heidelberger Cylinder arbeitet auch nach dem Prinzip Rund gegen Flach, allerdings steht das Druckbild nicht fest wie auf der Andruckpresse, sondern wird am Druckzylinder entlang geschoben.

Ich bin völlig fasziniert von diesen so abgestimmten mechanischen Vorgängen und dann noch die Geräusche dazu. Herrlich!

Es dauert eine Weile bis alles richtig eingestellt ist: Ansaugstärke, Ausrichtung, Farbmenge. Da gibt es z.B. eine Anlage bzw. eine Art Schieber, der den Bogen in die exakt richtige Position schiebt, damit das Druckbild mit dem richtigen Stand auf den Bogen gedruckt wird. Das ist vor allem dann wichtig, wenn noch andere Farben dazu gedruckt werden. Nun geht es mit der Auflage los. Ich darf den Druck überwachen und bei gewünschter Menge den STOPP-Hebel bedienen. Toll!

Ich wundere mich, dass die frisch gedruckten Bögen nicht alle zusammenkleben – die Farbe ist ja noch frisch. Fred erklärt mir, dass die gedruckten Seiten „gepudert“ werden, um genau dies zu verhindern. Dafür gibt es an der Maschine eine Vorrichtung.

Während wir so dastehen und der Maschine bei der Arbeit zusehen, bewundere ich all die Hebel an der Maschine – vor allem einen ganz besonders großen, roten, runden. Fred sagt, das ist der „Knochenbrecher“, denn wenn du deine Hand hier an der falschen Stelle hast und der Hebel schlägt um, kannst du dich schwer verletzen. Fred zeigt mir an dieser und auch an den anderen Maschinen abgenutzte und gar nicht abgenutzte Stellen und demonstriert mir, wie wohl die Drucker an der jeweiligen Maschine gestanden haben müssen. Klingt banal, aber das Wichtige, was daraus abzuleiten ist, die gar nicht abgenutzten Stellen weisen darauf hin, dass du dich hier auf jeden Fall fernhalten solltest!

Ab 18 Uhr ist offene Werkstatt im Museum. Da kommen Vereinsmitglieder zum Arbeiten und/oder Drucken. Auf der Andruckpresse wird nun ein Linolschnitt nach dem Prinzip der „verlorenen Platte“ gedruckt. Das bedeutet, dass vor jedem Farbwechsel ein Teil mehr aus der Platte weggeschnitten wird und daraus dann das Bild entsteht.

Im Anschluss kann ich auf der Andruckpresse eine Auflage meines Hintergrundmotives drucken. Dabei stelle ich wiedermal fest: jede Andruckpresse druckt zwar mit dem gleichen Prinzip, aber die Abläufe sind immer irgendwie anders. Ich muss mich erst „anfreunden“.

Zuletzt lerne ich noch, dass ich mir die Putzarbeit erleichtere, wenn ich vorab das Farbwerk mehrmals einen Bogen Papier „fressen“ lasse. Dadurch wird schonmal eine Menge Farbe von den Walzen abgenommen und ich muss weniger mit dem Lappen wischen.

 

So ausführlich und aus nächster Nähe eine Druckmaschine arbeiten zu sehen, hat meinen Tag gestern sehr bereichert.
Beeindruckt hat mich aber auch die Führung, die Fred am Nachmittag für eine Mutter mit ihrer 4-jährigen (!) Tochter gemacht hat. Sehr eingängig, bildhaft und frisch hat Fred alles gezeigt, erklärt, Maschinen demonstriert und sogar die Lithografie in allen Einzelheiten erklärt. Immer wieder sollte/durfte das Mädchen mithelfen. Das nenne ich äußerst gelungene Museumspädagogik.

Heute kommt eine Gruppe junger Menschen ins Museum, die ein Memory-Spiel gestalten und drucken wollen. Ich werde assistieren.

Bin gespannt.