Tag 2 - Dienstag, 7.2.2023

Hoch motiviert komme ich an diesem Tag in die Setzerei und freue mich schon auf den Satz des zweiten Blattes. 

Ich hatte vorab in Braunschweig grobe Skizzen der einzelnen Blätter erstellt, die ich nun versuche, mit der Bleischrift umzusetzen. Nicht immer gelingt das so, wie ich es mir vorgestellt habe: so muss ich mich bei der Schrift Technotyp dreiviertelfett für einen kleineren Schriftgrad entscheiden. 

Lieber hätte ich den gleichen Schriftgrad in einem anderen Schriftschnitt (halbfett statt dreiviertelfett) ausgewählt, aber den Schnitt gab es leider nicht in der gewünschten Größe.

So ist das im Bleisatz: immer wieder muss ich mich den Gegebenheiten anpassen. 

Nun passt es!

 

Übrigens: 

– vor einem W, V, J wird eine kleinerer Wortabstand gesetzt als bei anderen Wortpaaren.

– Eine Halb-Punkt-Spatie wird nur vor einem Ausrufezeichen, einem Fragezeichen, einem Semikolon und einem Doppelpunkt platziert.

 

In der Zwischenzeit kommen zwei Erzieherinnen mit einer Gruppe von 10 Vorschulkindern zu Besuch. Sie haben eine Führung mit Mini-Setz-Workshop gebucht. Leider darf ich sie nicht fotografieren: 

was für eine Freude die Kids zu beobachten, wie sie höchst neugierig durch die Druckerei laufen und fragen, fragen, fragen.

Die Kinder dürfen ihren Namen setzen und der wird dann anschließend vom Drucker Albrecht in eine Karte eingedruckt. 

Das nenne ich supergute Kulturvermittlung!

 

Ich habe in der Zwischenzeit mein zweites Blatt fertig gesetzt und wir machen davon einen Korrekturabzug. Bis auf kleine Korrekturen bin ich auch hier sehr zufrieden. 

 

Voller Eifer starte ich mit dem dritten Blatt.

 

Als Begleitschrift zur Lux hatte ich mir die Poliphilus in 14 Punkt ausgesucht, aber auch hier muss ich mich aus diversen Gründen umentscheiden und wähle die Goudy Old Style Italic – ein wunderschöne kursive Serifenschrift von 1916.

 

Und dann, mitten im Satz, muss ich aufhören!

 

Mir wurde mitgeteilt, dass ich meine Walzwoche leider nicht fortsetzen kann, da der Betrieb sofort geschlossen wird.

Alle Mitarbeiter erhielten die Kündigung mit sofortiger Freistellung.

Bei meiner Anreise war mir durchaus klar, dass die Zukunft der OHD ungewiss ist. Mir war auch klar, dass die Stimmung angespannt sein wird. Umso erfreuter war ich natürlich darüber, mit wie viel Herzlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft ich vom Team der OHD aufgenommen wurde. Wie sehr sie sich dort darum bemüht haben, mein Projekt zu etwas sehr Schönem werden zu lassen. Niemand hat damit gerechnet, dass es ein so jähes Ende nehmen wird.

Nun hoffe ich inständig, dass dieses Schriftenschatzhaus einen neuen Schatzhüter oder eine Schatzhüterin finden wird!