Tag 1 - Montag, 25.07.2022

Als ich heute im Museum ankomme, ist im Hinterhof schon viel los: eine Gruppe Kinder bereiten sich auf ihr Projekt vor „Klappern gehört zum Handwerk“.

Und ich kann mich gleich nützlich machen: am vorausgegangenen Wochenende fanden die „Wallensteintage“ statt. Auch die Spielkartenfabrik hat dort mitgemischt und an einem Stand, stattlich gekleidet, vor Ort auf handgeschöpftem Papier Spielkarten gedruckt.

Da ist ein Haufen Kram wegzuräumen und die Papiersiebe mussten gereinigt werden. Die Holzschnitte, von denen gedruckt worden war, mussten noch von der Farbe befreit werden.

Während ich so vor mich hinputze, kommen erste Besucher ins Museum und ich höre aufmerksam zu, wie Christian ihnen anhand der Ausstellung erklärt, wie ein Kartenspiel entsteht. Vom Sammeln erster Ideen über Skizzen und Originalzeichnungen bis hin zum fertigen Spiel. Die Ausstellung ist wirklich gut gemacht!

https://www.spiefa.de/tja-stralsunder

Was ich nicht wusste – was aber eigentlich klar ist: die Originalzeichnungen bzw. Linolschnitte werden digitalisiert und zusammen mit den Texten werden Photopolymerklischees hergestellt. Das hat mehrere Vorteile: Die Größe der Zeichnungen kann noch angepasst werden, mehrere Karten können gleich auf Stand aufgebaut werden, die Klischees halten einer größeren Auflage besser stand und das Lagern der Druckform nimmt weniger Platz in Anspruch.

Christian zeigt den Besuchern noch die tolle Schneidemaschine. Wenn sie schneidet, hört es sich an, als ob gleich alles zusammenbricht. Über einen Motor wird ein Schwungrad angetrieben, mit dem das Messer in Bewegung gesetzt werden kann. Es bekommt so viel Schwung, dass es selbst nach Ausschalten des Stroms noch einen Schnitt bewältigen kann!

Ein kleiner Junge (Schulkind) durfte auch einen Stapel schneiden – das nenn ich mal MitMachMuseum.

Kurzerhand wird auch noch der Heidelberger Tiegel angeschmissen und gezeigt, wie die Karten nach dem Druck aus dem Papier ausgestanzt werden. Statt der Druckform wird eine Stanzform in den Schließrahmen gespannt und eingehängt. Bei einer Stanzform wurde die Form der Karten als scharfe Stahlkanten auf einem Brett angebracht und in diesem Fall komplett mit Schaumstoff umgeben – der dient dazu, dass die gestanzten Karten nicht auf der Form stecken bleiben.

Christian stoppt den Tiegel immer wieder während des Stanzvorgangs, um genau zu zeigen, wie der Bogen per Druckluft angesogen wird, vom „Flügel geschnappt“ wird, wie Tiegel und Stanzvorlage aufeinander treffen und mit starkem Druck aufeinanderpressen, sodass sich die Stanzform hörbar in den Bogen drückt. Am Ende wird der Bogen wieder vom Flügel geschnappt und abgelegt.

Zwischendurch habe ich Gelegenheit, durch die Räume zu wandeln und mir alles anzusehen. Gleich am Eingang wartet ein Bostontiegel auf Benutzung: dauerhaft eingefärbt (mit Lithografiefarbe (diese schlägt nicht weg, also trocknet nicht so schnell). So kann jede/r gleich mit einem Druck den Besuch im Museum starten.

Super gemacht finde ich auch die Sicherheits- und Benimmregeln, integriert in die erste Schublade der Ausstellung.

Auf einem großen Tisch sind ganz viele Kartenstapel für eine 32-Karten Blatt aufgebaut. Sie werden hier zusammengetragen. Es ist bebildert mit Linolschnitten von Stralsunder Baudenkmälern – wunderschön!

Dann kommen wieder sehr wissbegierige Museumsbesucher in die Werkstatt und ich schließe mich gleich an, als die Linotype Setzmaschine erklärt wird:

Die Erfindung der beweglichen Lettern war damals eine Revolution: mussten Bücher nun nicht mehr von Hand geschrieben bzw. abgeschrieben werden, sondern konnten von einer Druckform vervielfältigt werden und diese Druckform ließ sich – im Gegensatz zu vorher schnell erstellen und verändern.

Trotzdem bedurfte es noch einiger Zeit und vor allem Material: Texte haben VIELE einzelne Zeichen. Deshalb forschte man und Otto Mergenthaler erfand die Linotype-Setzmaschine. Per Tastatur gebe ich meinen Text ein. Durch das Drücken der Taste fällt die Matrize (Gießform) des gewählten Buchstabens in einen Schacht, in dem nun alle gewünschten Buchstabenmatrizen hintereinander aufgereiht werden. Zum Glück kann ich vorne den Buchstaben sehen und die Zeile noch einmal auf Fehler überprüfen. Denn, wenn die Zeile fertig „gesetzt“ ist, wird sie im Schacht nach oben zu einer Gießvorrichtung gefahren und insgesamt als komplette Zeile gegossen. Enthält sie einen Fehler, muss die gesamte Zeile neu gesetzt und gegossen werden. Nach dem Gießvorgang werden die einzelnen Matrizen anhand ihrer speziellen Fräsung wieder zurück in das richtige Fach der Schriftkassette sortiert, um dann von dort wieder in die nächste Zeile zu „fallen“.

Die Spielkartenfabrik in Stralsund veranstaltet regelmäßig ein Druckfestival „Feste drucken“. http://www.feste-drucken.de/ 
In diesem Jahr steht es unter dem Motto „Schaum“ – Mut der Unberechenbarkeit.

Wie auch schon Walzende vor mir, werde ich mit meinem Projekt einen Beitrag zu diesem Druckfestival leisten. Das wird spannend! Ich habe eine Idee – fragt sich nur noch, ob sie sich in meinem Sinne realisieren lässt …

So geht ein lehrreicher Tag für mich zuende und ich freue mich schon auf den nächsten!