Tag 1 - Montag, 17. Juli 2023

Heute morgen also stehe ich in diesen wunderbaren Räumen des Typorama und bewundere das, was leidenschaftliche Sammler und Macher über die Jahre aufgebaut und erhalten haben:

In einem Raum befinden sich ein Menge Setzmaschinen, vorwiegend Linotype-Setzmaschinen. Darunter auch ein russischer Nachbau aus dem Jahr 1989(!) – fast unbenutzt.

Gegenüber mehrere Setzgassen, bestückt mit einer umfangreichen, sehr gut sortieren Sammlung an Bleischriften für den Handsatz.

In dem anderen Raum befindet sich der ganz neu gestaltete Drucksaal. Auch hier kann der Besucher/die Besucherin eine Vielzahl historischer Maschinen bewundern, die größtenteils noch in Betrieb sind.

 

Ich beginne meinen Tag mit ausgiebiger Stöberei: 

ich schlendere durch die Räume, sehe mir die Maschinen in der Setzerei und die Erläuterungen zu ihnen an und bleibe bei den Setzkästen „stecken“. Was für eine Sammlung! Nicht nur die Vielzahl an Schriften – darunter welche, von denen ich noch nie gehört habe – auch die etlichen Schubladen voller Klischees und Schmuckelemente beeindrucken mich sehr!

 

Sehr anschaulich finde ich auch den Stehsatz, der ausgestellt ist, z.B. eine Zeitungsseite, eine Formelsatzseite und eine Tabellensatzseite. 

Der Abzug liegt jeweils daneben, sodass ich den direkten Bezug zum Satz habe. Übrigens: der Satz einer Zeitungsseite wiegt 30 kg!

 

Um mich herum füllt sich die Werkstatt nach und nach: 

heute ist Montag und Montag ist im Typorama Frondienstler-Tag. Ein Tag, an dem die meisten freiwilligen Helfer ins Typorama kommen. Es sind Mitglieder des Fördervereins, die mit ihrem Einsatz dabei helfen, die Sammlung zu erhalten und den Betrieb aufrecht zu erhalten. Sie sind pensionierte Drucker, Setzer oder Maschinenbauer, die sich in ihrem Arbeitsleben mit Druckmaschinen beschäftigt haben.

In einer der Setzgassen treffe ich auf Silvano. Er ist Präsident des Fördervereins und auch Mitglied der Stiftung. 

Gerade ist er dabei, den Plan für die Umgestaltung auszuarbeiten: der Teil, in dem sich die Setzerei befindet, soll im vorderen Bereich umgebaut und ganz neu gestaltet werden. Dafür müssen alle Maschinen und Schränke umgestellt werden und da alles sehr „gewichtig“ ist, müssen die neuen Positionen wohl überlegt sein.

Silvano hat ein großes „S“ gefunden und beauftragt mich, dessen Bestimmungsort zu finden. Damit ich nicht alle Schubladen durchsuchen muss, erklärt er mir das geniale, digitale Katalogsystem des Typorama und so dauert es nicht lange und ich kann den Buchstaben in den Kasten der „Gill“ einsortieren.

 

Und dann bekomme ich meinen ersten Auftrag: ich soll an einem Kobold-Tiegel eine Visitenkarte in zweifacher Ausführung, jeweils in einer Auflage von 100 Stück drucken. 

Der Kobold-Tiegel druckt nach dem „Gally-System”: das Druckbild steht senkrecht in der Maschine und bleibt unbewegt. Das Papier wird gegenüber auf dem beweglichen Teil – dem Tiegel – der Maschine angelegt. Ein Motor bewegt über einen Keilriemen ein großes Schwungrad, das dafür sorgt, dass sich der Tiegel in Richtung Druckbild bewegt. Kurz vor dem Zusammenkommen dieser beiden Teile stehen sie exakt parallel zueinander und werden nun aufeinandergepresst. Das Druckbild wird auf das Papier übertragen und der Tiegel wird in seine Ausgangsposition zurückgeführt, um dann erneut in Richtung Druckbild geführt zu werden. 

In dieser Zeit zwischen „weg“ und wieder “hin“ muss das neue Papier angelegt werden.

Hans, einer der Frondienstler, seines Zeichens Drucker, zeigt mir den optimalen Arbeitsablauf. 

Bevor es aber losgehen kann, müssen wir noch ein paar Korrekturen am Satz vornehmen und alles auf Stand bringen. Und weil wir ein optimales Ergebnis haben wollen, verschieben wir hier noch um einen Punkt und dort noch um ein Cicero. Alles braucht seine Zeit. Endlich können wir mit der Auflage loslegen. 

 

Oben kannst du den beschriebenen Bewegungsablauf noch einmal sehen. Und unten bin ich selbst in Aktion. Gar nicht so einfach, für jeden Handgriff den richtigen Zeitpunkt zu finden. Da komme ich ganz schön ins Schwitzen! Es gehört sehr viel Routine dazu, das richtige Timing hinzubekommen und leider produziere ich noch recht viel Ausschuss, aber am Ende habe ich den Bogen (fast) raus. Es macht auf jeden Fall richtig viel Spaß! 

Auch das Maschine-Putzen gehört zum Drucken dazu und selbst hierbei lerne ich wieder etwas Neues: 

Hans benutzt für die grobe Reinigung zunächst das Walzenmittel, da dies nicht so schnell verfliegt. Das bedeutet, ich habe mehr Zeit, die Farbe von den Walzen zu bekommen. Zum Schluß wird nochmal mit Formenmittel die Endreinigung vorgenommen. Perfekt!

 

Nach getaner Arbeit habe ich noch Zeit, mich umzuschauen. 

Ich sehe Gerhard bei seiner Arbeit zu: an einem Heidelberger Tiegel „ritzt“ er mit Nutzen bedruckte Aufkleberbogen. Ritzen bedeutet hier, dass die Stanzform das Papier nicht ganz durchschneidet, sondern nur das Aufkleberpapier und nicht das Trägerpapier. 

Auch das sieht so simpel aus, bedarf aber auch sehr viel Einrichtearbeit, damit an genau den richtigen Stellen geritzt wird.

 

Am Ende meines langen Arbeitstages blättere ich noch im „Schriftenreigen“ des Typorama: ein Katalog mit gedruckten Mustern (fast) aller Schriften. Erst fällt es mir gar nicht auf, aber bald sehe ich die äußerst skurrilen und witzigen Texte die dort gesetzt wurden. Ich komme aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus. Wer sich sowas ausdenkt!

 

Als allerletzten Auftrag für heute bittet mich Percy, herauszufinden, welche Schrift/welche Schriften bei dem Satz für das Reichs-Gesetz-Blatt aus dem Jahr 1848 verwendet worden sind. Leider werde ich nicht fündig und muss aufgeben. Ein paar Mal habe ich gedacht, ich hätte die passende Schrift gefunden, die sich dann jedoch in wenigen kleinen Details vom Original unterschied.

Für morgen gibt es schon einen Plan:

Percy möchte mit mir zusammen ein Plakat für die anstehende Ausstellung zum „Gautschen“ auf einer sehr alten Druckpresse drucken. Er hat die Stopp-Zylinderpresse Andreas Hamm per Crowd-Funding erworben und aufgearbeitet. Morgen kommt sie dann zum ersten Mal zum Einsatz.

Spannend!

Ich mache für heute zufrieden Feierabend, denn ich habe an diesem einen Tag schon so viel gesehen, erlebt und gelernt.