Tag 1 - In der Höhle der Holzlettern

Im Museum angekommen suche ich zunächst einmal Thomas, um mit ihm mein geplantes Projekt und die beste Vorgehensweise zu besprechen. Ihn zu finden ist gar nicht so einfach, denn das Museum ist groß – sehr groß! 

Die Sammlung erstreckt sich über 4 Etagen und dazu kommen noch die Kellerräume. In diesen muss aktuell Platz geschaffen werden, da ein großer Teil des Bestandes aus der OHD in Dresden an das Museum in Leipzig gehen wird (was für ein Glück!).

Im Kleinen Drucksaal im 3. Stock treffe ich dann Katharina Walter, die Museumsleiterin und Thomas. Die beiden nehmen mich herzlich in Empfang.

Thomas führt mich in die Setzerei im 1. Stock. Hier wird für die nächsten Tage mein Arbeitsplatz sein. Neben einiger Setzschränke befinden sich in der Setzerei auch zwei Andruckpressen. Eine von beiden habe ich „ganz für mich alleine“.

 

Der Typengreif

Dieser „Staubsauger“ ist ein nicht zu entbehrendes Gerät in jeder Setzerei. Dieses Exemplar ist eine Rarität, denn meistens existiert nur noch der besondere Aufsatz dafür, der auf einen handelsüblichen Staubsauger aufgesteckt wird.

 

Da ich weiß, dass das Museum eine breite Auswahl an großen Holzlettern besitzt, will ich in meinem Projekt damit arbeiten. Thomas führt mich direkt in die „Höhle der Holzbuchstaben“: 

verteilt auf zwei Räume sind etliche Holzbuchstaben in diversen Schränken, Regalen und Umzugskartons untergebracht. Sie sind zwar in Ordnern katalogisiert, ich entscheide mich jedoch, die Schubladen aufzuziehen und anhand des Gesehenen meine Auswahl zu treffen. 

 

Das Projekt, das ich in dieser 6. Station meiner Walz realisieren will, beschäftigt sich mit Farbmischung. Die Farben des Buchdrucks drucken lasierend (durchscheinend) und NICHT deckend. Das mag für einige Druckende vielleicht einen Nachteil darstellen, da z.B. nicht deckend auf dunkles, farbiges Papier gedruckt werden kann (was allerdings auch machbar ist. Mit großem Aufwand, wie du es bei den Plakaten von Dafi Kühne sehen kannst: https://www.babyinktwice.ch/).

Ich möchte mit dem Projekt „Farbenglück“ zeigen, dass du dir die Farbmischungen, die durch das Übereinander-Drucken lasierender Farben entstehen, durchaus zu Nutze machen kannst. Es entstehen neue Farben, die dein Farbkonzept bereichern, ohne dass eine weitere Farbe gedruckt werden muss.

Ich hoffe, dass es mir gelingen wird, dies mit meinem Werk zu veranschaulichen.

In Kiste Nr. 34 finde ich die Holzschrift, die für meine Zwecke gut geeignet sein wird.

Ich muss zugeben, ich hatte die Qual der Wahl: sehr viele Schriften gefielen mir ausgesprochen gut und viele Schriften habe ich aus Zeitgründen gar nicht sehen können, aber ich habe ein straffes Programm für meine Woche in Leipzig und das beschleunigt den Entscheidungsprozess. Meine Wahl ist aber keineswegs ein Kompromiss.

Meine erste Idee war, ein und denselben Buchstabe mehrfach verdreht übereinander zu drucken, sodass sich mehrere Farbmischungen ergeben. Ich kann mich allerdings nicht auf einen Buchstaben festlegen und entscheide mich für die Buchstaben G für Gelb, C für Cyan und M für Magenta – leider gibt es den Buchstaben G nicht und ich wähle Y für Yellow. Diese drei Buchstaben nebeneinander ergeben an zwei Überschneidungen nur zwei weitere Farben und so wähle ich zusätzlich die Buchstaben A, B und C, um durch eine weitere Farbkombination weitere Farben entstehen zu lassen.

Von den 5 Buchstaben (C kommt 2x vor) mache ich einen Andruck in schwarz, um dann mit den ausgeschnittenen Buchstaben ein Klebelayout zu fertigen. 

Ich muss viel hin und herschieben bis das finale Layout mit den gewünschten Farbmischungen steht. 

 

Thomas hat gerade Zeit, mir das Setzen an der Linotype zu erklären. Das ist so aufregend – eine absolut faszinierende Technik: 

per Taster löse ich den Vorgang aus, bei dem die Matrize des gewählten Buchstabens in einen Schacht fällt. In diesem Schacht werden nebeneinander alle gewählten Buchstaben einer Zeile aufgereiht. 

Zum Glück ist vorne an der Matrize der jeweilige Buchstabe eingraviert, so dass ich die Zeile noch einmal auf Richtigkeit überprüfen kann. Dann werden die Matrizen zum Gießprozess losgeschickt. Ein wahres Schauspiel – sie gehen quasi auf die Reise! Am Ende fällt die fertig gegossene komplette Zeile in einen Schacht und die Matrizen gehen auf die Reise zurück an die richtige Stelle in der Schriftkassette. 

Ähnlich wie bei einem Schlüssel haben die Matrizen jeweils unterschiedliche Einkerbungen, die es ermöglichen, dass die Matrizen den Weg in genau das richtige Fach der Kassette finden. 

Das Setzen auf diese Weise macht richtig Spaß; ich könnte den ganzen Tag hier sitzen. Stattdessen aber schnappe ich mir meine fertig gesetzten Zeilen und gehe damit zurück in die Setzerei im 1. Stock. Ich mache direkt einen Andruck auf der Andruckpresse, so kann ich mein Klebelayout komplettieren.

 

Der endgültige Stand aller Elemente steht fest und ich kann noch die beiden Buchstaben für den ersten Druck in Gelb auf Stand platzieren. Damit ist alles für den morgigen Tag vorbereitet – pünktlich zur Schließungszeit des Museums.